Zu einem "Mittelstandsdialog Neue Wege in Mittelhessen im Wandel der Arbeitswelt Hessen" haben sich in der vergangenen Woche beim Lebenshilfe Gießen e.V. in Pohlheim rund 30 Unternehmen und Institutionen getroffen. Im Mittelpunkt des Workshops, den das Hessische Ministerium für Soziales und Integration gemeinsam mit dem Regionalmanagement Mittelhessen ausrichtete, standen Möglichkeiten der Fachkräftesicherung mittels Teilzeitausbildung, Berufsrückkehr sowie Nachqualifizierung. Zu jedem dieser Aspekte waren neben Expertinnen und Experten auch Unternehmens-Vertreterinnen und Vertreter nach Pohlheim gekommen, um sich über Rahmenbedingungen und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und über ihre praktischen Erfahrungen zu berichten.
„Die Hessische Landesregierung begleitet den Wandel in der Arbeitswelt, indem wir verlässliche Rahmenbedingungen für die am Markt agierenden Unternehmen und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestalten. Gelebte Fachkräftesicherung findet vor Ort in den Betrieben, Unternehmen und Verwaltungen statt. Zusammen durch das Finden, Binden und Halten von Personal erfolgreich Zukunft gestalten, vorhandene Fach- und Arbeitskräftepotenziale nutzen und Arbeitgeber, Beschäftigte und Regionen stärken, muss dabei die Richtschnur des gemeinsamen Handelns sein“, betonte der Hessische Arbeitsminister Stefan Grüttner in Wiesbaden.
„An Fachkräften führt kein Weg vorbei. Nachhaltige Fachkräftesicherung ist eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe. Dabei müssen wir den ländlichen Raum ebenso wie die urbanen Zentren in den Blick nehmen und möglichst alle verfügbaren Potentiale ausschöpfen“, sagte Claudia Wesner, koordinierende Leitung der ressortübergreifenden Stabstelle Fachkräftesicherung in Hessen im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration zur Begrüßung. Jens Ihle, Geschäftsführer der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH, betonte, es sei wichtig, eine „interaktive Diskussion mit einem hohen Maß an Ehrlichkeit zu führen“. Probleme könne man nur mit einem offenen Dialog lösen. Als Format wurde daher auch die bewährte Form des Workshops für den Fachkräftedialog mit dem Mittelstand gewählt. Linda Hauk vom Gastgeber Lebenshilfe Gießen e.V. hob zur Einleitung die Bedeutung des Vereins als Wirtschaftspartner in der Region hervor, der sich mit seinen Betrieben für die Integration von Menschen mit Behinderungen einsetzt.
Auch Andreas Büscher vom Förderverein für seelische Gesundheit in Gießen berichtete vom Ansatz seines Vereins, Menschen in Arbeit zu halten oder dorthin zu vermitteln – „individuell von Fall zu Fall“ und auch in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe. Dabei ist auch die Lebenshilfe im Bereich der Betreuung von der immer mehr spürbaren Verknappung an Fachkräften betroffen. Ein Mittel dagegen kann die Teilzeitausbildung, die sich vor allem an Menschen richtet, die „aus familiären Gründen keine reguläre Ausbildung machen können, sein.“, wie Manfred Weber, stellvertretender Leiter der mittelhessischen Geschäftsstelle der Handwerkskammer Wiesbaden, sagte. Möglich sei dieser Weg für alle Ausbildungsberufe; allerdings müsse der Betrieb dazu strukturell in der Lage sein, da Auszubildende hier weniger Zeit im Unternehmen verbringen können.
Praxis-Erfahrungen zu diesem Thema konnte Franziska Gutermann vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. liefern: Teilzeitauszubildende zeichneten sich durch ein „hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit“ aus. „Sie geben sich besondere Mühe und brechen seltener ab.“ Meist handele es sich um Mütter, deren „persönliche Reife“ zusätzlich zur Eignung beitrage – auch wenn eine Doppelbelastung gemeistert werden müsse. Das betrifft auch Marva Trad, Tourismuskauffrau in Teilzeitausbildung beim Bildungswerk: „Als Mutter kann ich gut zwischen Arbeit und Familie planen“, sagte sie. Die Möglichkeit, einen anerkannten Abschluss zu erlangen, gibt ihr dazu die nötige Motivation. Weber rief dazu auf, Kompromisse bei der Länge der Berufsschulzeit zu finden, die bislang nicht verkürzt werden kann, um Betriebe mit Teilzeitauszubildenden zu unterstützen.
Arbeitgeber wüssten, „dass ein großer Schatz zu heben ist“, sagte Christine Schramm-Spehrer von der Agentur für Arbeit Gießen zum Thema Berufsrückkehr. Auch wenn es Ziel der Arbeitsagentur sei, Menschen zum Beispiel durch Teilzeit-Modelle in Arbeit zu halten, sei dies ein Weg, dem Fachkräftemangel in vielen Betrieben zu begegnen. Insbesondere in familiengeführten Unternehmen sei es möglich, entsprechende Absprachen zu treffen. Dadurch gewinne der Arbeitgeber Personal, das sich bereits auskenne, treu sei und „auch etwas zurückgeben möchte.“ Maximilian Plum von der Schäfers Backstuben GmbH konnte das bestätigen: Unter den annähernd 700 Beschäftigten des Unternehmens befänden sich zahlreiche Rückkehrerinnen – vor allem im Verkauf.
Dr. Klaus-Jürgen Rupp von der Nachqualifizierungsberatungsstelle ProAbschluss bei der ZAUG gGmbH rückte während des Workshops die Zusammenarbeit mit Betriebsräten bei Nachqualifizierung von Beschäftigten ins Blickfeld. Dazu konnte Pietro Coladangelo mehr berichten: Als Betriebsrat bei der Schunk GmbH in Heuchelheim hat er dort gemeinsam mit Rupp Nachqualifizierungsmaßnahmen zum Maschinenanlagenführer begleitet. Die nötige Theorie für diesen Beruf habe man dabei soweit wie möglich im Betrieb vermittelt. Für Niels Köhler von Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG ergibt sich so auch ein Weg, um „Wettbewerbsfähigkeit zu behalten“. „Das schaffen wir durch die Nachqualifizierung von ungelernten Mitarbeitern.“ Und: Belohnt würden solche Maßnahmen auch durch ein „sehr hohe Akzeptanz in der Belegschaft.“