Regionale Vertreter aus Mittelhessen haben eine "Zusammenarbeit auf Augenhöhe" bei der Frage einer Kooperation der Region in und mit der Metropolregion FrankfurtRheinMain gefordert. Visionen dieser Zusammenarbeit waren am Freitag vergangener Woche Thema eines Regionalforums im Margarete-Bieber-Saal der Justus-Liebig-Universität Gießen. Eingeladen hatte die FrankfurtRheinMain GmbH (FRM) in Zusammenarbeit mit der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH (RMG). Der Geschäftsführer der FRM, Oliver Schwebel, war nach Gießen gekommen, um mit den mittelhessischen Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft über das Thema zu sprechen.
Einig war man sich, dass die Veranstaltung keine Alibi-Einbindung sein solle, sondern der Beginn eines „offenen Prozess der Mitarbeit auf Augenhöhe“. Schwebel: "So werden wir gemeinsam stärker!" Manuela Wehrle, Projektbeauftragte für "FrankfurtRheinMain 2030" stellte die bisherigen Ergebnisse der Strategiediskussion dar, in deren Folge ein Zukunftsbild und eine Entwicklungsstrategie für die Region entstehen soll. An ihren Vortrag knüpfte sich eine rege Diskussion an.
Zuvor hatten Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, Vorsitzender des Vereins Mittelhessen, sowie RMG-Geschäftsführer Jens Ihle die Potenziale Mittelhessens in den Blickpunkt gerückt. „Wie können wir eine Zusammenarbeit gestalten, um voneinander profitieren zu können?“, fragte Ullrich. Der Mittelhessen-Vorsitzende warf auch die Frage auf, ob und wie die Verteilung von Arbeitsplätzen und Wohnraum im Spannungsfeld zwischen Kernregion und Umland durch die Politik gesteuert werden sollte.
Jens Ihle hob die Stärke Mittelhessens als Bildungsregion und als Standort vieler mittelständischer Weltmarktführer - oft "Hidden Champions" - hervor. „Für einen guten Dialog brauchen wir Transparenz – auch in der Kommunikation mit möglichen Investoren“, sagte Ihle. Und: Man müsse sich gegenseitig zuhören, fügte er hinzu. Insgesamt sei aber überraschend, wie nah man bereits beieinander sei. „Das ist auch eine Sache der Perspektive"; viele Akteure aus RheinMain müssten zunächst selber einmal in die Region fahren, um zu sehen, wie nah und wichtig zugleich das Umland für das Zentrum ist. Dies hatte auch FRM-Aufsichtsratsvorsitzender Peter Feldmann gemacht; der Frankfurter Oberbürgermeister war im März Gast bei der RMG-Aufsichtsratssitzung in Wetzlar.
Oliver Schwebel wies auf die Größe des „Verflechtungsraum“ rund um die Main-Metropole hin, der immerhin 5,6 Millionen Einwohner habe. Die Frage, wo dieser „Raum“ in der Europäischen Union und in Deutschland stehe, und wie der Vergleich mit anderen Metropolregionen ausfalle, sei ebenfalls Teil der Strategiediskussion. Es stelle sich die "Frage nach Wirkungszusammenhängen", vor allem bei Verkehr, Kultur, Sport und Tourismus. Der FRM-Geschäftsführer sprach von jährlich 15.000 neuen Beschäftigungsverhältnissen, für die Arbeitnehmer meistens aus dem Umland in die Kernregion pendeln müssen. Vor dem Hintergrund dieser Mobilität spiele auch die digitale Infrastruktur eine Rolle, zum Beispiel beim Einrichten von Heimarbeitsplätzen.
Schwebel vergaß auch nicht, die Folgen des Brexits für die wachsende Metropolregion zu thematisieren: „Wir sind die attraktivste Region in der EU nach London“ und die britische Hauptstadt werde als Türöffner für die Märkte in der EU nach dem Austritt des Vereinten Königreichs für viele internationale Unternehmen nicht mehr möglich sein. Eine Region, die innerhalb eines Umkreises von 100 Kilometern 9,6 Millionen Menschen vereine, werde von dieser Entwicklung als Ganzes profitieren – und Mittelhessen mit seinem „großen Potenzial“ insbesondere, wie Schwebel hinzufügte. "Die Räume sind unterschiedlich, aber das muss man sichtbar machen!"
Manuela Wehrle veranschaulichte in ihrem Beitrag die fünf „Oberthemen“, die sich bisher herauskristallisiert haben, mit Beispielen: Das sind die Bereiche Wohnen, Infrastruktur, Wissen und Wirtschaft. Sie erläuterte, dass es insgesamt vier Regionalforen geben werde, um die Akteure in den Teilregionen zu beteiligen. Das erste dieser Foren finde nun in Mittelhessen statt, da viele Arbeitnehmer von hier kommen: "Keine andere Region hat ein so großes Pendler-Saldo wie die Rhein-Main-Region.“ Wehrle bezog sich dabei darauf, dass deutlich mehr Menschen ins Zentrum pendeln, als von dort ins Umland.
Klaus Repp, Vorsitzender der RMG-Gesellschafterversammlung, ist die Beziehung der Regionen als Handwerkskammer-Präsident mit Sitz in Wiesbaden besonders wichtig: „Wir haben in Mittelhessen die Flächen, die Menschen und die Bildung – und die Rhein-Main-Region lässt sich nicht erweitern“, machte Repp deutlich, warum Kooperation seiner Ansicht nach die Lösung sein müsse.
Die Diskussion zeigte, dass einige Fragen noch offen sind, und wie man die Zusammenarbeit gestalte, werde der gerade angestoßene Dialog zeigen, so der RMG-Geschäftsführer. Jens Ihle machte aber klar: „Wir wollen nicht nur mitreden!“ Schwebel warnte abschließend davor, eine strategische Allianz in der Metropolregion mit der Frage nach Identität zu verknüpfen. Die grundsätzliche Eigenständigkeit der Teilregionen bleibe davon unberührt. Eine Kooperation solle jene Fragen berühren, bei denen eine Zusammenarbeit von gegenseitigem Interesse und Nutzen möglich sei.