Vier Studierenden der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt haben im Sommersemester 2018 als Projektarbeit im Schwerpunkt Personalmanagement bei Prof. Dr. Christine Wegerich den Karrierestandort Mittelhessen analysiert. Die angehenden Bachelor Marc Kühweg, Marie Lechner, Sophia Rollmann und Ann-Kathrin Wehrfritz überprüften als externe Experten anhand einer Umfrage unter ihren Kommilitonen, wie deutlich die Karriereperspektiven in Mittelhessen für potentielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. Dabei kamen überraschende Ergebnisse zu Tage, wie Marc Kühweg zusammenfasst: „Zwei Antworten meiner Kommilitonen haben mich überrascht, die auch dem Stereotyp des „klassischen BWLers“ nicht entsprechen: die Priorisierung von Kinderbetreuungsprojekten und die Bedeutung der Nähe zur Natur habe ich so nicht erwartet.“
Die Studierenden entwickelten ein Modell zur Analyse der Standort- und Arbeitgeberattraktivität mit vier Dimensionen: Wünsche der Einwohner, Angebote der Kommunen, Freizeitbedürfnisse und Unternehmensprofile. Bei der Erhebung unter allen 557 Schwerpunktstudierenden des Studiengangs Betriebswirtschaft der fhws beteiligten sich 17,41 Prozent; wie bei einer ähnlichen Befragung in Mittelhessen ergab sich, dass 80 Prozent der im Durchschnitt 24-jährigen bereit wären, für ein Jobangebot in eine neue Region zu ziehen, über 65% aber lieber in die Stadt als aufs Land. Über 55 Prozent kennen Mittelhessen bereits, obwohl nur zwei Personen selbst aus der Region kommen. Marie Lechner erklärt zu den Ergebnissen: „Ich fand es spannend, eine mir persönlich unbekannte Region zu untersuchen. Wir haben festgestellt, dass Mittelhessen mit der Region um Würzburg gut vergleichbar ist.“
Wichtig sind Wohnraum, Infrastruktur und Arbeitsplätze
Wenig überraschend waren die Prioritäten im Bereich Einwohnerbedarfe: bezahlbarer Wohnraum ist wichtiger als ruhiges oder urbanes Wohnen, Arbeitsplätze vor Ort ausschlaggebender als das (Hoch-)schulangebot, Supermärkte vor Ort werden Bioläden und Shoppingcentern vorgezogen. Auch in der Kategorie der Kommunen zunächst wenig erstaunliches: hohe Verfügbarkeit an Immobilien ist den zukünftigen Arbeitnehmern wichtig, die kommunikative Infrastruktur wird höher bewertet als der öffentliche Nahverkehr. Auf die Frage „Für welche Projekte sollte sich die Kommune, in der Sie leben besonders einsetzen?“ kam die erste Überraschung: Kinderbetreuungsprojekte werden klar vor Bildungs-, Finanz- oder sozialen Projekten gesehen. Im Freizeitbereich bevorzugen die Würzburger Studierenden Restaurants und Cafés deutlich vor Bars, Discos, Events oder Kinos sowie ein breit gefächertes Angebot zum aktiven Sporttreiben. Gefragt nach der Wichtigkeit der Naturangebote zogen die Befragten nicht etwa Rad- und Wanderwege, sondern städtische Grünanlagen und die Nähe zur Natur wie Wälder und Gewässer gleichermaßen vor. Schließlich ging es um die Unternehmen, also die potentiellen Arbeitgeber: hier soll der Wunscharbeitgeber vor allem Arbeitsplatzsicherheit gepaart mit gerechter Entlohnung bieten, Interessante Aufgaben und Projekte werden dem internationalen Einsatz deutlich vorgezogen und die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern der Diversität, auch gegenseitiges Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Unternehmen ist den BWL-Studierenden wichtig.
In der Folge klopfte die Projektgruppe Mittelhessen daraufhin ab, inwiefern wie die Hauptwünsche der Befragten erfüllt werden. Das Fazit: die meisten Anforderungen werden von der Region und ihren Gebietskörperschaften klar erfüllt, nur an der Darstellung (analysiert wurden Online-Auftritte) kann man noch feilen.
Bei den Arbeitgebern wurde für alle fünf mittelhessischen Landkreise das Unternehmen mit den besten Bewertungen durch ihre Mitarbeiter anhand der Rankings im Portal kununu untersucht: in den meisten Fällen wurden die priorisierten Wünsche erfüllt, zwei Banken und ein Industrieunternehmen waren klar im Vorteil. Alle untersuchten Kommunen werben für „ihre“ Unternehmen, aber wie stehen diese zu Mittelhessen? Die Studierenden erklärten bei ihrer Abschlusspräsentation in Würzburg: „Von den Unternehmen werden ihre Regionen sehr viel weniger beworben als umgekehrt. Bei 6 der 13 vorgestellten Unternehmen wird die Region nicht auf der Webseite erwähnt und hat nach zumindest nach außen sichtbar keine Bedeutung für die Unternehmen.“
Selbstwahrnehmung: vier qualifizierte Experteninterviews
Um neben der Fremd- auch die Selbstwahrnehmung der Region einschätzen zu können, führten die vier Studierenden vier Telefoninterviews mit je einem Vertreter der vier Kategorien Freizeit, Einwohner, Kommune, und Unternehmen. Dazu Marie Lechner: „Die Gespräche waren mein persönliches Highlight, insbesondere der Bereichsleiter Human Resources des Unternehmens: seine Zustimmung zur Region Mittelhessen hat mich ehrlich beeindruckt!“ Die Frage nach dem attraktivsten der Region beantwortete dieser mit der Kombination aus dem tollen Naturumfeld mit den Wäldern und der Lahn, kombiniert mit der sehr guten logistischen Anbindung durch die Erreichbarkeit und die Nähe zur Autobahn sowie zum Flughafen Frankfurt. Auch für den kommunalen Vertreter spricht „die zentrale Lage Mittelhessens in Deutschland“ für die Region. Als Vertreter des Bildungsbereiches antwortete ein Professor der Technischen Hochschule Mittelhessen, er empfinde es in der Region als „im Urlaub zu arbeiten und leben.“ Marc Kühweg summiert: „Die von uns befragten Experten sind engagiert und begeistert, es wurde deutlich, dass sie die Region voran bringen wollen.“
Bei der Projektpräsentation in Würzburg mit drei weiteren Projekt-Fallgebern fasste die Betreuerin, Prof. Dr. Christine Wegerich das Ergebnis so zusammen: „Wenn wir miteinander vernetzt arbeiten, uns austauschen und die gemeinsame Idee im Auge behalten, können wir gemeinsam erfolgreich sein“. Ihr ist das Projekt eine Herzensangelegenheit: „Gerne würde ich auf diesen Erkenntnissen aufbauen und diese mit Studierenden weiterentwickeln – entweder mit dem Regionalmanagement Mittelhessen oder auch mit einer anderen Region. Vielleicht könnten diese Regionen sich dann vernetzen und aus den jeweiligen Erfahrungen lernen. Das gemeinsame Projekt hat jedenfalls viel Freude gemacht. Vielen Dank für die tolle Unterstützung des gesamten Teams.“ Für die Studierenden war die Projektarbeit „Spaß und Stress“, wie Marie Lechner formuliert: „Praxis pur! Ich würde es aber auf jeden Fall wieder machen, auch weil die Zusammenarbeit mit dem Regionalmanagement so gut war“ Ann-Kathrin Wehrfritz ergänzt: „Ich habe auch für mich persönlich viel gelernt: dass die Betrachtung von der Metaebene her wichtig ist und dass zu einem Projekt auch Spontansein gehört: heute bei der Präsentation hat das ganz gut geklappt.“ Wehrfritz war für die erkrankte Sophia Rollmann eingesprungen. Die Studierenden haben mit der aus der IT kommenden agilen Methode „Scrum“ gearbeitet, Professor Wegerich erklärt, warum: „Mir ist es wichtig, dass die Studierenden diese doch noch relativ neue Methode kennenlernen, um Ideen aktueller Möglichkeiten der Projektarbeit kennenzulernen. Zum anderen haben wir bei uns im Schwerpunkt Personalmanagement immer schon agil gearbeitet, da wir wöchentlich den Projektstand reflektieren, analysieren und auch die persönliche Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Lernprojekt begleiten. Scrum unterstützt diesen selbstreflektierenden Lernansatz.“
Fazit: miteinander vernetzt arbeiten, sich austauschen und die gemeinsame Idee im Auge behalten lässt gemeinsam erfolgreich sein
Als Fazit geben die vier Studierenden dem Regionalmanagement auf den Weg, dass sie die Organisation als gute Schnittstelle zwischen den einzelnen Kommunen, Unternehmen, Verbänden und Interessensvertretern einschätzen. Gleichwohl sähen alle Beteiligten noch weiteres Potential in der Außenwirkung und der Zusammenarbeit, die durch eine noch bessere Vernetzung und Kommunikation zwischen den einzelnen Gliedern optimiert werden könne. Manuel Heinrich, Projektmanager im Regionalmanagement abschließend: „ Wir haben viel mitgenommen, einiges bestätigt bekommen und noch mehr gelernt. Für die Zusammenarbeit sind wir sehr dankbar und beeindruckt von der Arbeitsweise der fhws-Studierenden und ihrer Betreuerin.“