Statt auf der Expo Real in München traf sich die regionale Immobilienszene dieses Jahr in Wetzlar –das Regionalmanagement hatte zur ersten Regionalen Immobilien-Expo Mittelhessen (RIEM) in die Stadthalle eingeladen. Manfred Wagner, Oberbürgermeister der Stadt Wetzlar freute sich, dass „wir zusammenkommen können, um miteinander den Austausch zu pflegen, neue Begegnungen zu haben, und gewachsene Netzwerke festigen zu können.“ Sieben Aussteller und acht Sponsoren waren gekommen, um sich unter Abstand- und Hygiene-Auflagen zu treffen und zu aktuellen Themen auszutauschen: Wie wirkt sich die Corona-Krise am Immobilienstandort Mittelhessen aus? Welche Entwicklung gibt es bei den Einzelhandels- und Bürostandorten? Inwiefern gibt es neue Ansprüche an Gewerbeflächen? Diese Fragen beantworteten renommierte Fachleute zusammen mit den Experten aus Mittelhessen.
Jens Deutschendorf, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen begrüßte die Teilnehmer und bedankte sich beim Regionalmanagement für den Mut und das Verantwortungsbewusstsein, diese Veranstaltung durchzuführen. Das Land wolle bewusst Anreize geben, damit das Leben weitergehen; so wolle die Landesregierung mit dem „Hessenplan“ massive Investitionen zur Belebung der Konjunktur vornehmen: „Bei Immobilienmessen entstehen häufig neue Wohnungsbauprojekte, und davon brauchen wir an vielen Orten in Hessen deutlich mehr. Bezahlbarer Wohnraum ist vor allem im Ballungsraum und in Hochschulstädten in Hessen knapp. Deshalb ist die Wohnungsbauförderung ein Schwerpunkt der Hessischen Landesregierung. Bis 2024 stellen wir dafür die Rekordsumme von 2,2 Milliarden Euro bereit.“ Rainer Schwarz, Präsident der IHK Gießen-Friedberg und Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH, begrüßte die Impulse und den Dialog mit der Landesregierung: „Die Wirtschaft lernt, mit der Pandemie umzugehen!“ Von starken Auswirkungen berichtete Matthias Möhl, der Geschäftsführer der Faber & Schnepp Hoch- und Tiefbau GmbH & Co. KG: „Die Nachfrage im Industriebau ist in der Corona-Zeit eingebrochen“. Hätten vor einem Jahr noch Unternehmen gefehlt, die Ausschreibungen ausführen konnten, habe sich die Situation jetzt umgedreht. Es komme darauf an, wie Unternehmen auf diese Veränderungen reagieren werden.
In seinem Impulsbeitrag sprach Dr. Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter des Kölner Instituts für Handelsforschung, über die Entwicklung von Einzelhandels- und Bürostandorten in den Innenstädten. Dabei stellte er fest, dass insbesondere der kleinbetriebliche Fachhandel, „die prägenden Institutionen in unseren Innenstädten“, von der insgesamt zurückgehenden Umfrage am stärksten betroffen seien. Ein Grund sei der stark wachsende Onlinehandel, auch befeuert durch die Corona-Krise. Künftig werde der „hybride Konsument“, der sich sowohl online als auch im stationären Handel bewegt, die Mehrheit stellen. Preißner appellierte an die Kommunen, den Erlebniswert ihrer Innenstädte zu verbessern. „Der Aufenthalt muss angenehm gestaltet werden!“ „Jetzt ist die Zeit, einen starken Fokus auf die Innenstadt zu legen“, bestätigte Anna Kaczmarek-Kolb von der Marburger Wirtschaftsförderung in der anschließenden Podiumsrunde. Die Universitätsstadt habe in der Krise mit Einkaufsgutscheinen für den Innenstadthandel „einen großen Zusammenhalt“ erzeugen können. Ihre Beobachtung: Während einige Händler mit ihrem Multi-Kanal-Konzept den neuen „hybriden Konsumenten“ gut bedienen können, tun sich andere Unternehmen mit dem Generationswechsel in ihren alteingesessenen Betrieben schwer.
Rudolf Pütz, Geschäftsführer der Vitra GmbH, referierte über das Spannungsfeld zwischen Homeoffice und Büro. Auch hier werde eine „hybride Lösung die Zukunft“ sein. Auch wenn das Homeoffice in der Pandemie an Bedeutung stark gewonnen habe und diese auch behalten werde, bleibe das Büro als Ort der Zusammenarbeit bedeutsam: „Das Zusammensein der Mitarbeiter ist ein starkes Kulturelement“, denn „Menschen suchen das Miteinander“. Im Gegensatz zum „reizarmen“ Home Office setze das Büro Impulse und fördere so auch Innovationen, denn „Prozesse und Veränderungsprojekte laufen mit Homeoffice deutlich schlechter,“ so Pütz. Andreas Lenzer, Geschäftsführung der IMAXX - Gesellschaft für Immobilien-Marketing mbH, attestierte den Büroimmobilen nach Corona eine schwierigere Zukunft: „Die Preise in dem Segment lassen nach.“ Es seien Innovationen gefragt; junge Teams, bei denen Kreativität durch Interaktion stattfinde, hätten ganz andere Anforderungen. Daher seien auch die Eigentümer gefragt, neuen Konzepten eine Chance zu geben.
Nicole Wallner, Senior Business Development Managerin der Drees & Sommer SE, sprach in ihrer Keynote vor allem über Herausforderungen, aber auch die Chancen für Wirtschaft und Unternehmen durch den Klimawandel. Die EU ihren Fahrplan konkretisiert und nehme Betriebe in die Pflicht, Treibhausgase zu reduzieren. Wallner bezifferte den Anteil der Emission durch Gebäude auf durchschnittlich 30 Prozent. „Viele Gebäude lohnt es sich zu sanieren, weil auch die Effizienz dadurch stark steigt.“ Das Treibhausgas Kohlendioxid wandele sich zudem vom Klimakiller zum Rohstoff, der Ausgangsprodukt für viele chemische Prozesse ist. „Verbundstandorte“ aus Stahl- und Chemieindustrie könnten dabei eine zukunftssichere Kreislaufwirtschaft in Gang bringen. Nachhaltigkeit sei nicht nur ein politisches Anliegen. „Es lohnt sich auch.“ Wie die Realität vor Ort aussieht, berichtete Daniel Beitlich, Geschäftsführer der Revikon GmbH: „Flächenrecycling geht vor der Grünen Wiese“ und dass sein Unternehmen mit dem Gewerbegebiet „Alter Flughafen“ in Gießen – dem ehemaligen US Depot –innerhalb von fünf Jahren die Vollvermarktung erreicht habe. Eine Revitalisierung von Innenstadtflächen trage ebenfalls zur Energieeffizienz bei, da sie Arbeitsplätze nah an die Wohngebiete der Menschen bringe und Verkehr vermeide. „Der ökologische Gedanke ist ganz vorne!“ Dr. Manfred Felske-Zech, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung des Landkreises Gießen, warb dafür das „Kirchturmdenken“ in den Kommunen zu vermeiden. Im Zusammenwirken mit dem Regierungspräsidium Gießen spiele der Landkreis vor allem bei der interkommunalen Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit den Städten und Gemeinden versuche man, einen „Nachhaltigkeitskatalog“ zu entwickeln. Wichtig sei dabei aber auch, abseits liegende Kommunen nicht zu benachteiligen. Gleichzeitig sollten sich Kommunen auch über den Wert ihrer Flächen bewusst sein, denn diese „seien endlich“.
Dass interkommunale Gewerbegebiete von den Kommunen häufig zwiespältig betrachtet würden, berichtete Andreas Richter von der KuBuS Generalplanungs- und Entwicklungs-GmbH auf dem Podium. Unternehmen mit hohem Flächenbedarf, wie zum Beispiel Logistiker, kämen häufig nicht zum Zuge, weil Kommunen lieber Gebiete entwickeln, die weniger Widerstände in der Bevölkerung auslösen. Dennoch appellierte Richter gerade an kleinere Gemeinden, Anforderungen an ansiedlungswillige Unternehmen zu stellen, sofern diese Anforderungen frühzeitig besprochen werden.
Der ehrenamtliche Kreisbeigeordnete des Lahn-Dill-Kreises, Wolfram Dette hatte die RIEM von Beginn an als Öffentlich-Privates Projekt des Regionalmanagements unterstützt: „Jedes Jahr im Oktober trifft sich die regionale Immobilienszene auf dem mittelhessischen Gemeinschaftsstand in München. Dieses Jahr erschien das unvorstellbar, die Messe München hat selbst die hybride Messe abgesagt. Wir arbeiten als Wirtschaftsförderungen eng miteinander und haben dank der Unterstützung der Hessischen Wirtschaftsförderung HTAI die RIEM umgesetzt.“ Ein Dank gebühre auch dem Lahnauer Messebauer MessePro, der alle Anforderungen erfüllt habe und das Hygienekonzept zusammen mit der Stadthalle erst ermöglicht habe. Zum Erfolg der Veranstaltung trug auch die fachkundige Begleitung von Volker Thies bei, der als Journalist der Immobilien-Zeitung die Moderation übernommen hatte.