Gemeinsam mit dem Hessischen Wirtschaftsministerium hat das Regionalmanagement Mittelhessen Sie beide seit 2013 mit der Breitbandberatung für Mittelhessen beauftragt. Herr Bernhardt, wie würden Sie rückblickend diesen Zeitraum beschreiben?
Bernhardt: Die vergangenen 18 Monate waren sicherlich eine spannende Zeit. Im Beraterteam mit Herrn Pucher bin ich in enger Abstimmung mit dem Land Hessen für die Kreise Lahn-Dill, Limburg-Weilburg und Marburg-Biedenkopf zuständig. Ich bin sehr froh, dass jetzt für alle drei Landkreise eine flächendeckende Lösung gefunden werden konnte. Die Ausschreibungen haben ergeben, dass die Deutsche Telekom dort ausbauen wird. Die Deckungslücke – also der Betrag, der der Telekom zum wirtschaftlichen Ausbau fehlt – wird von den Kreisen und Kommunen übernommen.
Mit dem Spatenstich am 1. August ist nun auch der Lahn-Dill-Kreis in der Umsetzungsphase. Wie lange wird es hier ungefähr dauern, bis der gesamte Kreis mit schnellem Internet versorgt sein wird und was wird es den Kreis und die Kommunen kosten?
Bernhardt: Wir haben eine Bauzeit von insgesamt 30 Monaten für den gesamten Kreis eingeplant, in der rund 500 Kabelverzweiger mit knapp 200 km Glasfaser erschlossen werden sollen. Dafür werden 8,4 Millionen Euro für die Deckungslücke bezahlt.
Und wie steht es mit den Landkreisen Limburg-Weilburg und Marburg-Biedenkopf?
Bernhardt: Ganz ähnlich: Limburg-Weilburg hat das Projekt ebenfalls mit der Deutschen Telekom als Partner im Sommer begonnen. Hierbei werden etwa 300 Kabelverzweiger erschlossen, womit die Telekom planmäßig mindestens zwei Jahre beschäftigt sein wird. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf hat das Projekt bereits im September des letzten Jahres begonnen. In Marburg-Biedenkopf werden 531 KVZs ausgebaut. Der erste Bauabschnitt wurde im September in Betrieb genommen, insgesamt soll der Ausbau bereits im nächsten Jahr abgeschlossen sein.
Sorgt die Deutsche Telekom denn in allen Landkreisen Mittelhessens für den Ausbau? Herr Pucher, wie sieht es in Ihren Landkreisen aus?
Pucher: Nein, nicht ganz. Sowohl im Landkreis Gießen als auch im Vogelsberg bestimmt die Eigentumsfrage die politische Diskussion. Man tendiert mehrheitlich zur Auffassung, dass kommunale Gelder für kommunales Eigentum eingesetzt werden sollen. Diese Debatte führte beispielsweise im Gießener Land im Jahr 2011 dazu, dass man mit der Breitband Gießen ein ÖPP-GmbH-Modell entwickelt hat, in dem die Kommunen Miteigentümer der Breitband-infrastruktur sind. Als Betreiber des Netzes konnte aber ebenfalls die Deutsche Telekom gewonnen werden, die der Gesellschaft für die Nutzung des Netzes entsprechend Miete zahlt.
Und wie ist da der Stand im Vogelsberg?
Pucher: Der Vogelsbergkreis hat jetzt die erste Entscheidungsrunde hinter sich. Die Gesellschafter haben sich im Rahmen der Gesellschafterversammlungen der Wetterauer und Vogelsberger Breitbandgesellschaften und der gemeinsamen Breitbandinfrastrukturgesellschaft Oberhessen – kurz BIGO – auf einen Ausbau im sogenannten Mietmodell verständigt und planen somit den Aufbau eines eigenen Netzes. Jetzt läuft dazu ein dreistufiges Verfahren an: Markterkundung, Interessenbekundungsverfahren und Ausschreibung müssen auf den Weg gebracht werden. Das soll noch in diesem Jahr geschehen. Mit dem Beginn der Umsetzung darf somit im Laufe des kommenden Jahres gerechnet werden. Das Landesprojektteam rund um Wirtschaftsministerium, Hessen Trade & Invest und regionale Breitbandberatung wird auch hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen und zum Beispiel in Förderfragen beraten.
Wie ist da der Status im Landkreis Gießen? Hier ist man ja bereits seit länger mit dem Ausbau beschäftigt.
Pucher: Das Gießener Land ist tatsächlich der Landkreis, der als erster mit einer kreisweiten Lösung in Mittelhessen vorangegangen ist. Das Kreisgebiet ist allerdings in rund 20 sogenannte Cluster unterteilt, in denen die einzelnen Kommunen gebündelt und anschließend jeweils eigenständig ausgeschrieben werden. Dieses Vorgehen ist eine Besonderheit und hat zur Folge, dass nicht jede Ausschreibung durch die Breitband Gießen GmbH gewonnen wird. Um einzelne Cluster herrscht teilweise ein heftiger Wettbewerb. Insgesamt betrachtet kommt der Landkreis aber sehr gut voran und ist aller Voraussicht nach bis Ende kommenden Jahres flächendeckend mit mindestens 16 Mbit/s am Hausanschluss versorgt.
Zusammenfassend könnte man also die These aufstellen, dass in Mittelhessen der Weg für flächendeckendes Breitband geebnet ist. Das bedeutet wahrscheinlich auch, dass sich Ihre klassischen Handlungsfelder als regionale Breitbandberater verändern. Wo sehen Sie sich und Ihre zukünftige Rolle?
Bernhardt: Ja, das stimmt. Die klassische, meist kommunale Breitbandberatung wird sicherlich an Bedeutung verlieren. Die Kreise haben ihre Hausaufgaben gemacht und wir haben ihnen an der einen oder anderen Stelle dabei geholfen. Maßgeblichen Anteil dabei hatte das Land Hessen, das sehr früh die Bedeutung der Breitbandversorgung erkannte und gezielt die einzelnen Projekte unterstützt hat. In den kommenden Monaten konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten, die schnelles Internet den Nutzern bringt.
Inwiefern ist das ein Zukunftsthema?
Pucher: Es geht zukünftig mehr um digitale Dienste als um Anschlüsse. Letztere werden vorausgesetzt. Noch vor wenigen Jahren wurden ausschließlich Download-Raten vermarktet, wie zum Beispiel ein 16 Mbit/s-Anschluss im Flatrate-Paket. Doch das zieht bei vielen Kunden nicht mehr. Die Menschen orientieren sich an ihrem tatsächlichen Bedarf und den Kosten. Daher werden heute vor allem Dienste vermarktet, um die Netze zumindest ansatzweise auszulasten. Die gängigsten Dienste sind zum Beispiel Fernsehen und Telefonie über’s Internet. Da wird dann der benötigte Anschluss vom Anbieter automatisch hinzugebucht. Für die Betreiber gilt: Ihre Investition in die Netze muss sich lohnen. Je höher die Anzahl an hochpreisigen Diensten beziehungsweise Anschlüssen, umso höher ist auch die Bereitschaft, in die Netze zu investieren. Das wird vor allem bei einem möglichen Ausbau von Glasfaser bis an die Hauswand spannend.
Und was heißt das konkret für Ihre Aktivitäten in der Region?
Bernhardt: Wir wollen die gerade entstehende Breitbandinfrastruktur nutzen, um regionale Dienste zu entwickeln – also digitale Dienste für Mittelhessen. Dazu nutzen wir das breite Netzwerk aus Universitäten, Unternehmen und Organisationen in der Region. Gemeinsam wollen wir eine mittelhessische Plattform entwickeln, die auf vielen Ebenen einen echten Mehrwert für die Bevölkerung bieten soll. Es geht um alle wesentlichen Themenbereiche. Die Stichworte sind hier zum Beispiel medizinische Versorgung, Kommunikation, Wirtschaftsförderung oder auch digitale Bildungsangebote. Das gilt es jetzt zu entwickeln und voranzutreiben.
Pucher: So ein Projekt ist natürlich ein dickes Brett und das braucht Zeit und auch Geld. Gemeinsam mit dem Hessischen Wirtschaftsministerium, der Hessen Trade & Invest und dem Regionalmanagement Mittelhessen planen wir daher gerade die Meilensteine und Finanzierungsoptionen. Gerade das Regionalmanagement bietet hier aus jeder Sicht die ideale Plattform, denn die Gesellschaft ist ein Unternehmen der Kreise, Kommunen, der Kammern sowie der Hochschulen. Man darf also im kommenden Jahr gespannt sein.
Herr Bernhardt, Herr Pucher, herzlichen Dank für das Gespräch.