„Mittelhessen ist ein produzierender Standort und das wollen wir noch sichtbarer machen“ erklärte Dr. Christoph Ullrich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins Mittelhessen bei der Übergabe des Bewilligungsbescheides für EU-Fördermittel aus dem LEADER-Programm. Ob Hightech-Werk oder Erzgrube, Steinbruch oder Eisenbahnviadukt: die Industriekultur ist in allen fünf Landkreisen Mittelhessens sichtbar und verbindet die Vergangenheit mit der Zukunft der „Werkbank Hessen“. Die Gießener Landrätin Anita Schneider und Gudrun Müller-Mollenhauer von der Bewilligungsstelle in der Dorf- und Regionalentwicklung des Lahn-Dill-Kreises hatten einen Bescheid über die Förderung in Höhe von 40.000 € aus EU- und Landesmitteln mitgebracht, der das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 95.000 € möglich macht. „Auf diese Weise setzen wir Impulse für
die Wirtschaft und den Tourismus im ländlichen Raum“, betonte Schneider. „Für das Kooperationsprojekt haben sich alle sieben in Mittelhessen liegenden LEADER-Regionen (Burgwald-Ederbergland, GießenerLand (Federführung), Lahn-Dill-Bergland, Lahn-Dill-Wetzlar, Limburg-Weilburg, Marburger Land und Vogelsberg) zusammen getan haben“, berichtete Anette Kurth, die Regionalmanagerin des Vereins Region GießenerLand. Die Kofinanzierung in Höhe von 55.000 € stellten die Landkreise Gießen, Lahn-Dill, Marburg-Biedenkopf, der Vogelsbergkreis, die Städte Gießen, Marburg, Wetzlar, Limburg zusammen mit dem IHK-Verbund Mittelhessen und dem durchführenden Verein Mittelhessen zur Verfügung. „Dafür sind wir sehr dankbar“, erklärte Dr. Ullrich, der die geplanten Maßnahmen für die nächsten zwei Jahre vorstellte: Mit einer neuen Smartphone App sollen Informationen und Hinweise zu Objekten und Orten der Industriekultur sowie regionale Veranstaltungsangebote gebündelt und besser aufsuchbar gemacht werden. Als Grundlage habe der Arbeitskreis Industriekultur Mittelhessen seit 2013 um die 300 Objekte und Orte in der Region ausgesucht, die in einer von Prof. Dr. Otto Volk, dem Leiter des Arbeitskreises, erstellten Online-Datenbank bereits abrufbar seien. App-Nutzer sollen sich so eine individuelle Route nach Freizeit und Interesse gestalten können. Ausgewählte Objekte sollen Schilder erhalten, um das Thema besser bewusst zu machen: „Viele Menschen fahren täglich an Gebäuden vorbei, deren Funktion Ihnen unbekannt ist. Hier gilt das Goethe-Zitat ‚Man sieht nur, was man kennt.‘“, erklärte Manuel Heinrich, der Projektverantwortliche im Regionalmanagement Mittelhessen, die Vorgehensweise. Zudem sollen Faltblätter die thematische Breite von Bergbau über Eisen und Stahl, Steine und Erden, Energie- und Wasserversorgung, Transport und Verkehr bis zur Architektur des Industriezeitalters erschließen. Umgesetzt werde das Projekt durch ein Projektmanagement, für das der Verein Mittelhessen nach einer Ausschreibung Kay Hörster gewinnen konnte. Zusammen mit den vielen ehrenamtlich tätigen Expertinnen und Experten der Region soll auf diese Weise die Industriekultur als regional-integratives Thema erlebbar gemacht und die vielen Akteure können sich und ihre Angebote unter einem Dach darstellen. Das Thema vereint bereits jetzt ein starkes Netzwerk von Kommunen, Museen, Vereinen, Kultureinrichtungen und Initiativen, aber auch den mittelhessischen Hochschulen sowie zahlreichen Unternehmen. „Ihre Vertreter sind Ideengeber, Netzwerker und Multiplikatoren in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft sowie der öffentlichen Verwaltung“, so Hörster, der berichtete, dass man für die Umsetzung auf heimische Dienstleister vertraue. „Wir wollen die Industriekultur in Mittelhessen langfristig als regionales Gemeinschaftsprojekt etablieren“, formuliert Dr. Ullrich abschließend das Ziel des auf zwei Jahre angelegten Projekts. Die ersten Tage der Industriekultur Mittelhessen 2017 und zahlreiche Veranstaltungen seitdem in allen fünf Landkreisen konnten das Interesse an der Thematik bei Unternehmen, Institutionen und vor allem der Bevölkerung belegen.
Die Übergabe erfolgte im ehemaligen Schlachthof als einem sehr spezifischen Gebäude, das als Industrie-Denkmal durch Dr. Wolfgang Lust restauriert wurde und in dem neben Wohnungen auch Gewerbe wie der Coworking-Space für junge Unternehmen „BetaBox“ und eine Gaststätte entstanden sind. „Denkmäler müssen genutzt werden“, appellierte Prof. Volk an die Vorbildfunktion zur Transformation ehemaliger Produktionsstätten.
Die Europäische Union und das Land Hessen unterstützen ländliche Regionen mit speziellen Förderprogrammen, die als Anschubfinanzierung für eigenständige Regionalentwicklungen gedacht sind. Eines dieser Programme ist LEADER, die Abkürzung steht für die aus dem Französischen übersetzte Bedeutung „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“. Damit fördert die Europäische Union seit 1991 Projekte, in die sich Bürgerinnen und Bürger sowie Institutionen direkt vor Ort einbringen und zur nachhaltigen Stärkung ländlicher Räume beitragen können. Voraussetzung dazu ist, dass diese Projekte in einer anerkannten LEADER-Region umgesetzt werden. Die Regionen unterstützen und begleiten eine jeweilige Lokale Aktionsgruppe bei der Umsetzung ihrer Lokalen Entwicklungsstrategie und betreut all jene, die Projekte auf den Weg bringen möchten. Hessenweit fließen von 2014–2020 50 Millionen Euro Fördergelder der EU und dem Land Hessen in insgesamt 24 LEADER-Regionen.