Das Regionalmanagement Mittelhessen will „neue Allianzen zwischen Industriekultur und Wirtschaft“ fördern. Einen Aktionsplan dazu hat Manuel Heinrich, Projektmanager beim Regionalmanagement, während einer gleichnamigen Online-Veranstaltung in der vergangenen Woche vorgestellt. Mittelhessen sei zwar keine „historische Region“, verfüge aber über eine reiche Geschichte und „lebendige Industriekultur“, betonte Heinrich. Der Plan ist Teil des von der EU geförderten Interreg-Projekts „Thematic Trail Trigger“ (ThreeT), in dessen Rahmen die Projektteilnehmer aus Mittelhessen Gelegenheit hatten, Erfahrungen und Ergebnisse mit Vertretern von Partner-Regionen aus Finnland, Polen, Ungarn, Rumänien, Italien, Malta und Spanien auszutauschen.
Das Interreg-Projekt sei „der beste Weg, die europäische Idee zu erleben“, sagte Heinrich. Der regionale Aktionsplan soll „lebendige Industriekultur als verbindende und identitätsstiftende Klammer zwischen regionaler Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Tourismus“ setzen. In einem Drei-Punkte-Konzept sollen dazu zunächst Allianzen zwischen den regionalen Institutionen und Akteuren ausgebaut werden. „Das Regionalmanagement bietet ein Dach zur Vernetzung und eine Plattform für kooperative Projekte.“ Eine besondere Rolle spiele dabei der Arbeitskreis Industriekultur unter der Leitung von Prof. Dr. Otto Volk. Ziel sei das „Erzeugen von Synergien“ zum Nutzen aller Beteiligten.
Die Idee der Industriekultur als Teil der mittelhessischen Identität zu verbreiten, sei ein weiterer Schritt im Aktionsplan, wie Heinrich weiter erläuterte. Dazu sollen unter anderem die Tage der Industriekultur dienen, die in diesem Jahr wieder vom 1. bis 4. Juli Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit geben sollen, Industrie-Objekte und ihre Geschichte in den mittelhessischen Landkreisen hautnah zu erleben. Zudem seien Planungen für ein Themenjahr Industriekultur im kommenden Jahr im Gange. Als dritten Teil des Aktionsplans definierte Heinrich die Unterstützung von Ankerpunkten der Industriekultur in Mittelhessen wie zum Beispiel das Vulkaneum im Vogelsbergkreis oder die Grube Fortuna im Lahn-Dill-Kreis. Weitere Informationszentren dieser Art seien das Lahn-Marmor-Museum im Kreis Limburg-Weilburg und die Villa Grün in Dillenburg.
„Können wir Leuchttürme zum Strahlen bringen“, warf Manuel Heinrich als Frage in den virtuellen Raum. Erreicht werden soll dies mit einem auf zwei Jahre angelegten Marketing-Projekt „für die Industriekultur im ländlichen Raum Mittelhessens“ – unterstützt durch eben jene Allianzen, die das Interesse an der regionalen Wirtschaft, ein verändertes Freizeitverhalten und einen generellen Trend zu Regionalität mit „authentischen Events“ zur Industriekultur verbinden sollen. Die Erfahrungen, Kontakte und Unterstützung aus dem ThreeT-Projekt habe „viele Dinge möglich gemacht“, fügte Heinrich hinzu.
Vor der Präsentation des Aktionsplans hatte Prof. Otto Volk, Leiter des Arbeitskreises Industriekultur und wissenschaftlicher Koordinator der Industriekultur in Mittelhessen, betont, wie wichtig eine lebendige Industriekultur ist, damit das Thema nicht „zu einer akademischen Veranstaltung“ werde. „Die Menschen sind wichtig.“ Er appellierte, industriekulturelle Objekte zu erhalten – auch durch neue Nutzungen – und forderte auf, Ideen in diese Richtung zu entwickeln. Die erfolgreiche Netzwerkarbeit würdigte auch Dagmar Meinen, Referentin in der Abteilung Landesentwicklung und Energie des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, in ihrem Grußwort. „Die Mitwirkung regionaler und lokaler Akteure sei wichtig für den Projekterfolg.“
In einem Vortrag beschrieb Dr. Judith Pizzera vom Institut für Geografie und Raumforschung der Universität Graz das Spannungsfeld der Industriekultur zwischen Verfall und Inszenierung anhand von europäischen Beispielen. Aber auch Fragen der Ästhetik und der grundsätzlichen „Konträr-Faszination“ von Industriekultur mit ihren Bezügen zur Arbeitswelt und nicht selten auch zerstörerischer Industrieproduktion spielten eine Rolle. Visuell dieser Faszination angenähert hat sich der Fotograf Jan Bosch, der in seinen Bildvorträgen während der Veranstaltung viele Orte mittelhessischer Industriekultur dokumentierte.
Boris Kaiser, von der Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (CWE) ergänzte die Online-Runde mit seinem Beitrag über „Kultur- und Kreativwirtschaft in traditionellen Industrieregionen als Treiber für den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft“ – mit einem Blick auf die Situation in Chemnitz, das 2025 europäische Kulturhauptstadt in Deutschland werden soll. Eine wichtige Erfahrung für die Arbeit der mittelhessischen Kolleginnen und Kollegen hatte er auch im Gepäck: „Menschen zu überzeugen geht nur mit hohem Zeitaufwand und Engagement.“