Mit „Solid AI“ hat die Idee für eine KI-Anwendung für Konstruktion und Maschinensteuerung am vergangenen Wochenende den ersten Platz beim 7. Startup Weekend Mittelhessen (SWMH) belegt. Das vierköpfige Team überzeugte die Jury zum Abschluss des dreitägigen Gründerworkshops und -wettbewerbs im Marburger Lokschuppen mit seinem Konzept für eine Künstliche Intelligenz, die Probleme in der computergestützten Konstruktion und Fertigung (CAD & CAM) erkennen und beheben kann. Insgesamt waren 150 Gäste, davon 96 Teilnehmer:innen an den Veranstaltungsort am Marburger Bahnhof gekommen, um Ideen zu entwickeln, Kontakte zu knüpfen und um von den Erfahrungen der Mentor:innen rund ums Gründen zu profitieren – nachdem der Wettbewerb in den zwei vergangenen Jahren Corona-bedingt online stattfinden musste. Erstmals bekamen die ersten drei Gewinnerteams in diesem Jahr einen Geldpreis in Höhe von insgesamt 6000 Euro.
Neben „Solid AI“ konnten sich auch „Noca“ mit einem Gerät für aktive Geräusch-Unterdrückung für den Nachttisch (2. Platz) und „FleXuse“ mit einer Web-basierten Mittelstandslösung für Automatisierung in der computergestützten Konstruktion (3. Platz) über den Geldpreis und den von Google gestifteten 5000-Dollar-Gutschein für Cloud-Computing-Dienste freuen. Insgesamt hatten sich zehn Teams mit ihren Präsentationen der Jury gestellt. Zu dem Auswahl-Gremium zählten neben Vertretern der Sponsoren und der Landesregierung auch Gründerinnen und Gründer, die selber früher selbst zum Teilnehmerkreis des Startup Weekend gehörten.
Einen Sonderpreis in Form eines Gutscheins für einen dreitägigen Gründer-Workshop einer Berater-Agentur erhielt „VEAC“ mit einem Produkt, das helfen kann, Fahrzeugtüren nach einem Unfall leichter zu öffnen. Andere Gründer-Ideen beschrieben Apps unter anderem für die Information von Long-Covid-Patienten, für Rezepte gegen Lebensmittelverschwendung, die herstellerunabhängige Ansteuerung von Smart-Home-Geräten, KI-unterstützte Geldanlagen und das Teilen von selbstgemachtem Essen im privaten Umfeld. Das Regionalmanagement Mittelhessen hat als Veranstalter über 50 Partner-Unternehmen zusammengebracht, um das Event zu stemmen, darunter auch wieder die Maschmeyer Group rund um den bekannten Finanzinvestor Carsten Maschmeyer.
„Wir wollen Hessen zum Startup-State machen“, sagte Dr. Mandy Pastohr, Abteilungsleiterin im Hessischen Wirtschaftsministerium, in ihrer Begrüßung am Freitag. Dafür brauche es Leute „vor Ort“, Partner und Unternehmen, die mitmachten. „Und genau das haben wir hier“, fügte Pastohr an die SWMH-Macher gerichtet hinzu. Keynotes und das obligatorische Pitch-Fire mit Teambuilding bestimmten das Programm zum Auftakt. Teilnehmer:innen stellten in einer Minute ihre Startup-Ideen dem Publikum vor. Um jene Vorschläge, die auf das größte Interesse stießen, bildeten sich die zehn Teams, die am Sonntag vor der Jury zum „Final Pitch“ antraten.
Als Keynote-Redner gab Dr. Dennis Schmoltzi, Co-Founder und CEO von „Emma – The Sleep Company”, interessante Tipps: Entscheidend beim Gründen sei die „Execution“, also die Ausführung nach der Idee, sagte Schmoltzi. Dabei gelte es, das richtige Mindset, Team und Organisationsdesign zusammenzubringen. Agiles Ausprobieren gehöre ebenso dazu wie die Fähigkeit zu skalieren. „Macht Euch ersetzbar.“ So schaffe man auch Zeit, sich um strategische Themen zu kümmern. Bei der Auswahl des Teams zähle Persönlichkeit mehr als Expertise. „Wählt unerfahrene Leute, die sich in Dinge reinknien, die sich entwickeln“, empfahl der Emma-CEO, dessen Unternehmen mittlerweile in 30 Ländern mit seinem Online-Matrazenvertrieb aktiv ist.
Fabian Annich, Geschäftsführer von STATION, der größten regionalen Vernetzungsplattform für Startups, vertiefte mit seiner Einführung in das „Business Modelling“ Schmoltzis agile Ansätze. Wichtig sei es, „die Angst vor Feedback zu verlieren“, und seine Kunden kennenzulernen. Außerdem: „Springt nicht zu schnell in die Idee rein, sondern nehmt Euch Zeit für Zahlen, Daten und Fakten.“ – auch um zu erkennen, wie groß ein Markt und relevant die eigene Lösung sei. Das Testen eines „Minimum Viable Product“, also der einfachsten umsetzbaren Version eines Produkts, helfe hier. Schließlich seien Schlüssel-Ressourcen, Aufwand, Verdienstperspektiven und Marketing zu klären. „Denkt groß aber klein in finanziellen Beträgen – am Anfang.“
„Wir hatten eine Qualität der Ideen und der Umsetzung wie nie zuvor“, sagte Jens Ihle, Geschäftsführer des Regionalmanagements Mittelhessen. Menschen mit langjähriger Industrieerfahrung, aus der Hochschule, Studierende aus allen drei mittelhessischen Hochschulen und darüber hinaus sowie Startup-Enthusiasten aus ganz Hessen seien nach Marburg gekommen „und auf ein fantastisches Netzwerk von Erfahrungsträgern und Expert:innen getroffen“. Dabei habe es sehr konkrete Geschäfts-Ideen gegeben: „Ich bin überzeugt, dass wir einige Gründungen und Erfolge aus diesem Talentpool in den nächsten Jahren erleben werden.“ Besonders gut habe ihm zudem die Energie und der „Spirit“ aller Menschen gefallen, die sich in das Wochenende eingebracht haben, betonte Ihle.
Gefördert wird das Startup Weekend Mittelhessen auch von der Europäischen Union im Rahmen eines Programms zur Regionalentwicklung. Ein Highlight der diesjährigen Auflage war der Veranstaltungsort: Mit dem Lokschuppen im Waggonhallen-Areal unweit des Marburger Bahnhofs hat der Unternehmer Gunter Schneider ein Denkmal der industriellen Revolution instand gesetzt und einer neuen Nutzung als Ort für Gastronomie, Events und Co-Working zugeführt. Es sei ihm wichtig gewesen, den Charakter der Industriearchitektur zu erhalten, um die kreative und innovative Arbeit der Gründerinnen und Gründer zu fördern, sagte Schneider.