Im Rahmen der Roadshow des Hessischen Gründerpreis 2023 richtete das Regionalmanagement gemeinsam mit den Initiatoren des Hessischen Gründerpreis gastierten am 3.5.2023 zahlreiche Besucher bei Team Simon in Gießen, um den Gründungserfahrungen von 3 jungen mittelhessischen Handwerksbetrieben zuzuhören.
Zum Auftakt des Abends stellte sich der Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, Stefan Füll, den Fragen von Ökosystemmanager Benjamin Stuchly. Im Zuge des anhaltenden Fachkräftemangels sei es an der Zeit für Handwerksbetriebe die Ansprache junger Menschen neu zu denken. Insbesondere die Social-Media-Aktivitäten seien ein guter Hebel um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Dort müsse man vor allem vermitteln, dass das Handwerk keine Einbahnstraße darstellt für den Karriereweg, sondern vielmehr zahlreiche Tätigkeitsfelder eröffnet, die je nach Lebenssituation angepasst werden können. Angesprochen auf die Schnittmenge zwischen Startup Szene und Handwerksbetrieben resümiert Füll, dass grade in der Handwerksbranche viel Raum für innovative Lösungen liegt, an die viele heute noch gar nicht denken. Gleichzeitig seien Mechanismen wie Businessmodellierung, die viele Startups häufig noch zurechtfeilen müssen, für das Handwerk seit Jahren lange in der Intuition verankert. „Ich denke Kennzahlenanalyse und Businessplanentwicklung sind für die Handwerksbranche lange gang und gäbe, da ansonsten kein Handwerksbetrieb am Markt bestehen kann. Nicht funktionierende Businesspläne wirken sich hier unmittelbar auf die Umsätze aus.“
Nach dem Interview übernahm Elisabeth Neumann (Hessischer Gründerpreis) die weitere Moderation und bat mit Timo Reinhardt (Malerbetreib Balser), Jens-Peter Jesberg (Nähkraft) und Robert Matheis (Die Maisterei) 3 ehemalige Preisträger des hessischen Gründerpreis nacheinander auf die Bühne.
Die drei sprachen über ihre Herausforderungen, Hürden und Chancen bei der eigenen (Nachfolge) Gründung. So erinnerte sich Timo Reinhardt noch genau an den Tag als sein damaliger Chef auf der Baustelle zu ihm kam und ihm mitteilte er würde den Betrieb am Jahresende aufgeben. Wenn er ihn nicht übernehmen wolle, wäre das das Ende des Unternehmens. „Das traf mich völlig unvorbereitet. Ich wurde einfach spontan mit der Frage konfrontiert, ob ich einen Betrieb kaufen solle, oder in die Arbeitslosigkeit gehe“. Er entschied sich für ersteres. „Die nächste Hürde war eine Bank zu überzeugen, mir die nötigen Kredite zu geben“. Insbesondere sein junges Alter und die damit verbundene Berufserfahrung erschwerten den Prozess. Das Risiko zahlte sich aus. 2020 erhielt er die Auszeichnung des Hessischen Gründerpreises in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“. „Es war das erste Mal, dass ich mich ernsthaft damit auseinandergesetzt habe, was meinen Betrieb eigentlich besonders macht“, so Reinhardt. „Es fällt mir schwer zu sagen, was genau unser Alleinstellungsmerkmal ist, und wo genau wir uns abgrenzen von anderen. Ich denke letztlich ist entscheidend, dass wir in allem was wir tun um unsere Kundenwünschen zu entsprechen nie wirklich schlecht sind.“
Jens-Peter Jesberg gelang 2017 der Finaleinzug im hessischen Gründerpreis mit seiner Autosattlerei „Nähkraft“. Für die Übernahme des Ausbildungsbetriebs entschied sich Jesberg trotz dem Abraten vielen Freunde. Zuvor arbeitete er in einem Angestelltenverhältnis. „Das war nicht das, was ich wollte. Ich wusste, dass ich raus muss“. Zu Beginn kooperierte er in seiner neuen Sattlerei mit seinem ehemaligen Chef. „Das war ungewohnt. Zunächst dachte ich, dass sei keine gute Idee, schließlich hatte ich ihn ja bewusst als Angestellter verlassen.“ Trotzdem entschied er sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Kooperation. Heute blickt Jesberg positiv auf die Entscheidung zurück. Der Wissensaustausch habe ihm einen großen Mehrwert gegeben für die eigene Betriebsausrichtung.
Robert Matheis erlangte den Sieg im hessischen Gründerpreis 2016. Damals noch in der Kategorie „geschaffene Arbeitsplätze“. Neben der lokalen Bäckerei „Die Maisterei“ sieht er sein Kerngeschäft heute im Onlineshop. Den Grundstein dafür legte er bereits 2014 bei einem Auftritt in der Show „Deutschlands beste Bäcker“ im ZDF. „Unsere Aufrufzahlen der Homepage sind nach der Ausstrahlung explodiert. Wir erhielten massenhaft Anfragen nach unseren glutenfreien Backwaren. Unseren bisherigen Monatsumsatz konnten wir plötzlich in einer Nacht erzielen.“ Ab diesem Zeitpunkt war Matheis bewusst, wohin er seinen Shop entwickeln wollte. 2019 entschied er sich seine ganzen Gewinne in sein Marketing zu reinvestieren. Es folgte ein umfassendes Redesign und die ersten Kooperationen mit Influencern. „Jeder weiss wie ein Brot aussieht, also muss man es auf den neuen Medien gekonnt in Szene setzen“, betont Matheis. Unzählige Stunden habe er investiert, um sich eigene Marketingkampagnen auszudenken und die Algorithmen der Plattformen zu verstehen. „Zu Beginn ist es erstmal wichtig sich einen Rhythmus zu setzen. Wenn ich mir vornehme in der Woche fünf Posts auf Instagram zu setzen ist das ein guter Start. Dann gibt es aber auch keine Ausreden mehr. Egal ob die Auftragsbücher voll sind, oder du dich nicht wohl fühlst: Bleib dran und halt deinen Rhythmus“.
Zum Abschluss des Abends überreichte Elisabeth Neumann die Botschafterurkunde des Hessischen Gründerpreis 2023 an Benjamin Stuchly. Es ist das dritte Jahr in Folge, indem sich der Ökosystemmanager des Regionalmanagement als mittelhessischer Botschafter für den Preis engagiert. Geschäftsführer Jens Ihle schloss den Abend mit Dank an Gastgeber, den hessischen Gründerpreis und den Gästen. Vor allem dankte er den drei Referenten aus dem Handwerk:" Ich ziehe meinen Hut vor eurem unternehmerischen Mut. Ihr seid Vorbilder für andere GründerInnen. Wir brauchen mehr Unternehmertum. Das hat der Abend heute deutlich gezeigt."
Das Event war Teil des EU-geförderten Projekts „Digitalisierung, Gründung, Innovation in Mittelhessen“.