Der private E-Mail-Server hat Hillary Clinton im US-Wahlkampf am meisten zugesetzt, oder besser: die „Geschichte“, dass der Umgang der demokratischen Kandidatin mit ihren E-Mails illegal war – unabhängig davon, ob dies tatsächlich so gewesen ist. Denn: „Die Botschaft ist entscheidend“, sagte der Politik- und Strategieberater Julius van de Laar am Montag in seinem Impulsvortrag beim Treffen des Netzwerks Wirtschaft im Verein Mittelhessen in Kooperation mit der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI) in Wetzlar. Van de Laar, der als Wahlkämpfer für Barack Obama 2008 seinen Einstieg in das Kampagnen-Geschäft fand, sprach vor annähernd 90 Gästen aus der mittelhessischen Wirtschaft, Politik und Institutionen auch darüber, welche immense Rolle Daten beim Werben um Wählerstimmen spielen – und was die Region Mittelhessen vom modernen Wahlkampf lernen kann.
Der amerikanische Präsident Obama sei beim „Digital Campaigning“ Vorreiter gewesen, sagte Van de Laar. „Auch für die Unternehmenskommunikation war das bahnbrechend“. Ein wichtiger Teil der Kampagne sei das effektive Sammeln von Daten und das konsequente Testen „jedes Elements der Online-Kampagne“ gewesen. Der Berater machte deutlich, welche Bedeutung dies für Obamas Wiederwahl 2012 hatte, bei der Van de Laar im „Swing-State“ Ohio Wähler mobilisierte. Die knappe Niederlage Clintons schrieb Van de Laar dagegen dem Problem der Demokratin zu, „authentisch rüberzukommen“. Sie sei im Gegensatz zu Obama eben „keine geborene Wahlkämpferin. Da ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.“ Denn Daten seien zwar wichtig, aber „ohne eine Botschaft geht es nicht.“
Während der nachfolgenden Podiumsdiskussion ging es im Verlagshaus der Zeitungsgruppe Lahn-Dill, auf deren Einladung das Netzwerk Wirtschaft nach Wetzlar gekommen war, schließlich darum, wie die Botschaft aussehen könnte, die den Menschen die Region Mittelhessen nahebringt. Denn: „Das Bild von Mittelhessen ist sehr unklar“, sagte der FAZ-Journalist und gebürtige Mittelhesse Thorsten Winter. Der Kommunikationsexperte Franz-Gerd Richarz betonte die Rolle, die das Image der Region für die Wirtschaft spielt: „Das Umfeld der Unternehmen muss stimmen.“ Man habe in dieser Hinsicht in Mittelhessen viel zu bieten. „Das muss man auch in der Unternehmenskommunikation verstehen.“ Vieles funktioniere bereits gut, Verbesserungsmöglichkeiten sah er aber bei den „Standards“ Und diese seien letztlich „Chefsache“.
Dr. Uwe Röndigs, Chefredakteur der Zeitungsgruppe Lahn-Dill, rief dazu auf, durch eine multimedialere Kommunikation und Zusammenarbeit in der Region das Bild Mittelhessens zu verbessern. Als starke Wirtschaftsregion ginge es auch darum, den Nutzen dieser Tatsache für die Menschen zu kommunizieren, „Wirtschaft zu personalisieren.“ Rebecca Hagelmoser von NarraTool, Strategin für Corporate Storytelling, machte in der Runde deutlich, wie Geschichten dazu beitragen können, eine erkennbare Identität zu schaffen: „Weiß man, wer man ist und wie man wirken will, ergeben sich die Themen von selbst.“ Für HTAI-Geschäftsführer Dr. Rainer Waldschmidt helfen vor allem die mittelhessischen Marken wie Leica dabei, auch Region als Marke zu etablieren. Denn ähnlich wie der traditionsreiche Kamerahersteller sei auch Mittelhessen „authentisch und mit Geschichtspotenzial“.
Der für die Vermarktung der Region verantwortliche Jens Ihle will die Anregungen aufgreifen: „Wir glauben, dass sich das Image von Mittelhessen am besten aus der Summe seiner Teile zusammensetzen lässt: das Profil ergibt sich aus den Geschichten der Unternehmen, der Hochschulen und der Kommunen. Dazu sind ein deutliches Bild des Profils und eine starke Präsenz in den sozialen und klassischen Medien notwendig.“ Julius van de Laar, der eine Saison lang Profibasketballer in Mittelhessen war, erinnerte zum Abschluss, was den amerikanischen Wahlkampf geprägt hat: „Wir wollen alle solche Geschichten hören!“ Eine solche Story für die Region könnte die Initiative „Code door“ sein, die Karan Dehghani während des Netzwerktreffens vorstellte: Das Projekt hilft Flüchtlingen dabei, Programmieren zu lernen und so einen Job zu finden. Unterstützt wird „Code door“ dabei unter anderem von Unternehmen wie Amazon und Google. Auch für Mitarbeiter in heimischen Unternehmen bietet das Projekt Kurse in den Betrieben an. Zurzeit sucht das Projekt nach Unterstützern im mittelhessischen Mittelstand.